Ob Produktionsausfälle, Kurzarbeit oder Probleme bei der Versorgung mit teilweise lebenswichtigen Medikamenten: Die jüngste Vergangenheit hat schonungslos offengelegt, auf welch dünnes Eis wir uns in unserer global arbeitsteiligen Welt begeben haben. Selbst wenn zumeist alles gut läuft, können, wie sich gezeigt hat, seltene Ereignisse die Lieferketten stark überdehnen oder sogar zerreißen. Besonders schwierig ist es für KMU (kleine und mittlere Unternehmen), die Effekte kurzfristig auszugleichen.
Späte Produktentstehungsphasen am kritischsten
Die späten Phasen der Produktentstehung wie Endmontage, extern durchgeführte Installation und Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen sowie im anschließenden Servicegeschäft sind dabei jeweils am kritischsten. Sie sind termingebunden und müssen schwankenden Auftragsmengen kapazitiv unmittelbar folgen können. Außerdem sorgen die Zusammenarbeit mit weiteren Partnern – zum Beispiel für Logistik und Inbetriebnahme – sowie erhöhte Abstimmungsbedarfe mit Kunden für viele zusätzliche Schnittstellen.
Wie Unternehmen hier mithilfe flexiblerer Produktionsprozesse besser mit schwer prognostizierbaren Absatzmengen und unsicherer Materialversorgung umgehen können, beschäftigt derzeit Forschende des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und des kooperierenden Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart im Rahmen des Forschungsprojektes „agileASSEMBLY“. Es zielt darauf ab, die Anpassungsfähigkeit von produzierenden Unternehmen durch Entwicklung und Implementierung integrierter personeller, organisatorischer und technischer Lösungen zu unterstützen. Der Fokus liegt auf agilen Selbstorganisationskonzepten, die mittels digitaler Assistenzsysteme und Lösungen der Industrie 4.0 befähigt werden.
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Dr. Moritz Hämmerle, Leiter des Forschungsbereichs Cognitive Engineering and Production am Fraunhofer IAO, erklärt: „Durch unsere Projekte mit Industrieunternehmen nehmen wir das Thema Wandlungsfähigkeit aktuell als zentralen Bedarf wahr. Nach einigen unvorhersehbaren Ereignissen wie der Corona-Pandemie und einem blockierten Suezkanal müssen Unternehmen nicht nur ihre globalisierten Lieferketten überdenken, sondern auch an der eigenen, internen Wandlungsfähigkeit arbeiten.“
Optimale Lösungsansätze durch Integrative Planung
Zum Zwecke der Ermittlung der spezifischen Innovationsbedarfe, Anforderungen und Herausforderungen von Industrieunternehmen verfolgt das Projektkonsortium einen zweigleisigen Ansatz: Einerseits erarbeitet das Forschungsteam des Fraunhofer IAO ein Framework zur Adressierung von Wandlungsfähigkeit im Unternehmen. Über Tiefeninterviews mit Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft erhebt man den Status quo und analysiert aktuelle Herausforderungen sowie deren Auswirkungen auf die späten Phasen der Produktentstehung.
Der zweite Strang besteht aus fünf betrieblichen Umsetzungen bei Projektpartnern. Diese analysieren ihren Handlungsbedarf, beschreiben und priorisieren ihre personellen, organisatorischen und technischen Anforderungen und formulieren konkrete Entwicklungsziele. Darauf aufbauend werden passfähige Assistenzsysteme wie beispielsweise die selbstorganisierte Erstellung von Schichtplänen gemäß eines integrativen Planungsansatzes entwickelt. Das bedeutet, dass Mitglieder von Schichtgruppen ihren Arbeitseinsatz selbstständig und agil je nach Kapazitätsbedarf, Qualifikationen und persönlichen Erfordernissen festlegen können.
Projektergebnisse werden zur Verfügung gestellt
Nika Perevalova, Koordinatorin des Projekts agileASSEMBLY am IAT der Universität Stuttgart fasst zusammen: „Technologie kann den entscheidenden Mehrwert zur Befähigung der Wandlungsfähigkeit von Mensch und Organisation liefern. Diese Synergie möchten wir im Forschungsprojekt in unterschiedlichen Umsetzungen herausstellen.“
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Um vor allem KMU für den Einsatz agiler Konzepte in späten Phasen der Produktentstehung zu sensibilisieren, entwickelt das Fraunhofer IAO ein kostenfreies Self-Assessment. Mit seiner Hilfe können Unternehmen die eigene Positionierung im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern ermitteln. Auch arbeitet man an einem Leitfaden und einer interaktiven Online-Anwendung.
Weitere Informationen:
Fraunhofer IAO
www.iao.fraunhofer.de