Wie zum Beweis, dass sich die additive Fertigung als Massenphänomen durchgesetzt hat, bieten mittlerweile sogar schon Discounter günstige 3D-Drucker an. Für private Experimente sind diese mit Sicherheit interessant und ausreichend, aufgrund der meist sehr begrenzten Größe der produzierbaren Modelle für ambitioniertere Vorhaben aber eher ungeeignet – selbst wenn nicht gleich ein ganzes Haus gedruckt werden soll.
Gleichsam rasant wie die Verbreitung des 3D-Drucks nehmen die Anwendungsfelder Tag für Tag zu. Leichter als über die fast endlosen Einsatzmöglichkeiten zu referieren, ließen sich die wenigen verbliebenen Ausnahmen aufzählen, die das Verfahren noch nicht abdeckt. Hier werden Erinnerungen wach an den zweiten Teil der berühmten Terminator-Filmreihe, in dem ein „T-1000“ genannter Androide jede beliebige Form annehmen kann, jedoch nicht komplexe Strukturen wie Maschinen – also zum Beispiel ein Uhrwerk oder Motor. Ähnliche Beschränkungen bestehen beim 3D-Druck. Einzelne Bauteile herzustellen, um sie anschließend zusammenzufügen oder als Ersatzteile für konventionell gefertigte Objekte zu verwenden, ist allerdings inzwischen gang und gäbe.
3D-Druck als Gamechanger für Konstruktion, Fertigung und Ersatzteil-Management
Überhaupt erweist sich der 3D-Druck für das Ersatzteil-Management und die gesamte Lagerlogistik als Glücksfall, indem er hilft, Lager- und Transportkosten zu reduzieren. Gleichzeitig kann man Bauteile aus verschiedenen Materialien – auch aus Metallen –, die längst vergriffen sind und nicht mehr regulär hergestellt werden, auf einfache, schnelle und preiswerte Weise nachproduzieren.
Neben der Instandhaltung ist 3D-Druck insbesondere im Bereich der Konstruktion und Fertigung ein Gamechanger – vom Prototypenbau bis zum Endprodukt. Ein für die Zukunft vielversprechender Aspekt sind die völlig neuen, Material und Gewicht sparenden und trotzdem höhere Stabilität aufweisenden Formgebungen, die mit anderen Fertigungsverfahren gar nicht darstellbar wären. Das Spektrum reicht von der Sportschuhsohle bis zu U-Boot-Bauteilen. Hinzu kommt das Potenzial des sogenannten 4D-Drucks, bei dem 3D-gedruckte Modelle entweder erst später eine endgültige Struktur erreichen (wodurch sich beispielsweise Platz beim Transport sparen lässt) oder im Sinne eines intelligenten Werkstoffs jederzeit verformbar bleiben.
Vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar
Vier Jahrzehnte nach den bahnbrechenden Erfindungen von Chuck Hull hat die eigentliche Revolution gerade erst begonnen. Dank der ständig zunehmenden Druckgeschwindigkeiten und gegenüber den Anfängen deutlich verbesserten Ausgangsmaterialien lässt die additive Fertigung Losgröße eins zum Preis von Massenprodukten Wirklichkeit werden und beschert uns unter anderem vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbare medizinische Wunder. Schicht für Schicht wird der 3D-Druck so immer unverzichtbarer.
Von Chuck Hulls Frau ist überliefert, dass sie, als der US-Physiker sie seinerzeit aus dem Bett riss, um ihr sein erstes 3D-gedrucktes Objekt zu präsentieren, mit den Worten reagierte: „This had better be good!“ Heute steht zweifellos fest: Was sie zu sehen bekam, war nicht bloß gut – sie wurde vielmehr Zeugin von einem der bedeutendsten Heureka-Momente der gesamten Technikgeschichte.
Autor: Michael Graef, 30.04.2021