Wer immer wieder gleich handelt, aber einen anderen Ausgang erwartet, zeigt nach Einsteins Definition Anzeichen von Wahnsinn. Wir wagen es dennoch und stellen unseren Referierenden und Teilnehmenden mit Bezug auf unsere Veranstaltungen regelmäßig wiederkehrende Fragen – zu persönlichen Erwartungen, der aktuellen Situation innerhalb der betroffenen Branchen und zu Trends und Prognosen.
Diesmal ging es um unseren jährlichen Branchentreff „Gurtförderer und ihre Elemente“. Zum inzwischen 19. Mal wird die Fachtagung am 15. und 16. März 2023 Teilnehmende aus Wissenschaft und praktischer Anwendung in Essen beziehungsweise online zusammenbringen. Begleitend ist eine Produktausstellung geplant, außerdem steht eine Exkursion zum Duisburger Hafen auf dem Programm.
Befragt zur Gurtförderer-Tagung haben wir Dr.-Ing. Markus Keller (KelCon Conveyor Solutions GmbH), Dipl.-Ing. Detlef Domke-von Bichowski (HOSCH Fördertechnik Recklinghausen GmbH) sowie Dipl.-Ing. Hans-Hendrik Hünicke (RULMECA GERMANY GmbH).
1. Was sind in diesem Jahr Ihre persönlichen Erwartungen an die Tagung?
Dr.-Ing. Markus Keller: „Die Tagung im Haus der Technik ist für mich immer eines der Highlights des Jahres aus zwei wesentlichen Gründen: Die Möglichkeiten persönlich zusammenzukommen werden offenbar – und nicht nur pandemiebedingt – immer seltener. Damit ist die HDT-Veranstaltung eine wichtige Möglichkeit zum Networking und zum Austausch mit Branchenkollegen. Zweitens ist die Qualität der Vorträge gemeinhin so, dass jeder etwas Neues oder zumindest Interessantes für seine täglich Arbeit mitnehmen kann. Natürlich hoffe ich, durch meinen Vortrag hierzu beitragen zu können.“
Dipl.-Ing. Detlef Domke-von Bichowski: „Interessante Vorträge. Treffen und Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten. Gespräche und Diskussionen in angenehmer Atmosphäre.“
Dipl.-Ing. Hans-Hendrik Hünicke: „Die Tagung Gurtförderer im HDT empfinde ich abseits der akademisch getriebenen Tagungen als erfrischend frei, um durch die Referenten ein aktuelles Bild der Branchentrends vermittelt zu bekommen. Unabhängig davon treffe ich dort Kollegen, Partner und Freunde zum Erfahrungsaustausch – und es gibt jeweils eine interessante Exkursion.“
2. Welche Rolle spielen für die Branche gegenwärtig einerseits die Umbrüche, die sich aus der aktuellen Weltlage ergeben (Zukunft der Globalisierung in Zeiten einer zunehmend bipolaren Weltordnung), sowie andererseits die Fragen der energetischen Herausforderung und des Klimaschutzes?
Dr.-Ing. Markus Keller: „Das Geschäftsumfeld in Europa und aus Europa heraus ist schwieriger geworden und verlagert sich zunehmend in andere Weltregionen. Dies ist zwar kein neuer Trend, aber die Auswirkungen werden deutlicher spürbar. Mittlerweile hat sich viel Expertise rund um die Schüttgutfördertechnik, den Bergbau und die Zulieferindustrien in den globalen Schwerpunktgebieten außerhalb von Europa entwickelt. Dies macht die Marktbearbeitung aus Europa zunehmend schwerer. Gleichzeitig ergeben sich neue Anforderungen im Spannungsfeld der höheren Verfügbarkeit, der Effizienzsteigerung und des umweltverträglichen Betriebs von fördertechnischen Anlagen. Hier ergeben sich durchaus neue Marktchancen für europäische Lieferanten, die oft bereits für hiesige Kunden, die schon länger im o. g. Spannungsfeld stehen, Lösungen entwickelt haben. Beziehungsweise dabei sind, diese zu entwickeln. Ein weiterer Aspekt der zukünftigen Entwicklung wird der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sein, der umfangreiche Infrastrukturprojekte nötig macht, wie man es an den Beispielen des Lyon-Turin-Basistunnels, oder der HS-2-Schnellfahrbahnstrecke in England beobachten kann.“
Dipl.-Ing. Detlef Domke-von Bichowski: „Die Corona Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben sich enorm auf unser Geschäft ausgewirkt. Uns hat es deutlich gemacht, wie wichtig es ist, einen guten Produktionsstandort mit einem guten Netzwerk von Lieferanten zu haben und sich weltweit zu vernetzen. Die Digitalisierung hat uns geholfen, auch in Krisengebieten präsent zu sein, ohne Mitarbeiter zu gefährden. Da der Klimaschutz und die Nachhaltigkeit bei uns schon lange eine große Rolle spielen, wurde vor Jahren ein Großteil unserer Betriebsstätten mit Photovoltaik ausgerüstet, was uns heute in den Karten spielt.“
Dipl.-Ing. Hans-Hendrik Hünicke: „Es gibt kaum eine Branche, die von der aktuellen Weltsituation – sowohl politisch als auch in Bezug auf die Umwelt – nicht beeinflusst ist. Ich sehe das vor allem als Chance für die Fördertechnik, sich neu zu orientieren, neue Technologien anzunehmen und Verantwortung für Energieeinsparung und Vermeidung von schädlichen Emissionen zu übernehmen. Sehr viele Firmen tun das bereits – nicht nur durch die Benennung eines ESG-Managers. Es gibt auch jede Menge Schüttgut-Förderanwendungen abseits der Kohle. Damit wird das Überleben der Branche nicht in Frage gestellt.“
3. Welche technischen Neuerungen sind derzeit als wichtig zu nennen? Gibt es außerdem neues aus dem Bereich der Gesetzgebung und Regulation zu berichten?
Dr.-Ing. Markus Keller: „Im Großen und Ganzen wird der Fokus zum einen weiter im Bereich der Effizienzsteigerung und Umweltverträglichkeit liegen. Gleichzeitig werden sich neue Anforderungen aus der Dekarbonisierung und der wahrscheinlich zunehmenden Deglobalisierung der Lieferketten ergeben, sei es durch Neuaufschlüsse von Lagerstätten oder den Ausbau bestehender Lagerstätten. Oft sind die Rahmenbedingungen anspruchsvoller im Hinblick auf das Material-Handling und die umwelttechnischen Anforderungen als in den klassischen Anwendungen, sodass spezifische Förder- und Aufbereitungsmethoden zum Einsatz kommen müssen.“
Dipl.-Ing. Detlef Domke-von Bichowski: „Die Digitalisierung und Gurtbandüberwachungen durch Abstreifsysteme. Was die Betriebssicherheit der Förderbandanlagen und gleichzeitig die Arbeitssicherheit (Health and Safety) der Mitarbeiter erhöht, da sie weniger Kontrollgänge machen müssen.“
Dipl.-Ing. Hans-Hendrik Hünicke: „Alle Innovationen zur energetischen Aufwertung von Gurtförderern haben erhöhte Relevanz. Gute Beispiele für wichtige technische Neuerungen sind aus meiner Sicht Schubelemente- und Rail-Running-Förderer. Energielabel für Fördergurte oder der erweiterte Einsatz von hocheffizienten Trommelmotoren tragen zur Energieeinsparung in Gurtförderern bei. Zur Klassifizierung der Energieeffizienz werden die Regularien der einzelnen Länder immer komplexer. Hersteller von Elektromotoren entfernen sich mit den Produkten immer weiter vom Normmotor, um die Effizienz auf die Spitze zu treiben und sich von Wettbewerbern abzusetzen.“
Die Fragen stellte Michael Graef.
Weitere Informationen:
→ Detaillierte Informationen zur HDT-Tagung „Gurtförderer und ihre Elemente“