Mit dem Satz „A fool with a tool is still a fool“ wird gern auf den Irrglauben hingewiesen, Werkzeuge brächten, sobald man sie nur besitzt, unmittelbar Lösungen. Das passt gut zum Thema künstliche Intelligenz. Wobei fraglich ist, ob echte KI-Gläubigkeit hierzulande weit verbreitet ist. Seit Jahren prägen eher Skepsis und Sorgen die Diskurse – nicht bloß bei diesem wichtigen Zukunftsthema. Das läuft parallel zum politischen Drang, alles regulieren oder gleich verbieten zu wollen, noch bevor man es verstanden hat.
Zur Wahrheit gehört andererseits auch, dass Politik und Gesellschaft sich zu dem absehbaren und von großen Marktakteuren wie beispielsweise Amazon konkret in Aussicht gestellten Wegfall eines großen Teils der klassischen Jobs verhalten müssen [1]. Hier irgendwann vor die Entwicklung zu kommen, dürfte allerdings zur Herausforderung werden.
Ein Tempo, das selbst Fachleute überrascht
Übrigens gab der im vergangenen Jahr für seine theoretischen Beiträge zum maschinellen Lernen mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnete britisch-kanadische Informatiker und Kognitionspsychologe Geoffrey Hinton unlängst zu, von dem rasanten Fortschrittstempo überrascht zu sein [2]. Im selben Interview wies er die Idee zurück, Menschen besäßen irgendwelche geistig-kognitiven Fähigkeiten, die durch Maschinen künftig nicht darstellbar sind.
Aber sogar schon vor über dreißig Jahren war, wer beispielsweise Gelegenheit hatte, Vorlesungen des international renommierten Hirnforschers Onur Güntürkün zu lauschen, gedanklich auf den Geist aus der Maschine vorbereitet.
Von wegen Blase
In der Praxis befinden wir uns indes in einer Phase, in der es stärker um die Zusammenarbeit mit KI-Agenten geht, als um die vollständige Substitution des Menschen. Bereits in Quartalsberichten zum Ausdruck kommende Realität sind Produktivitätszuwächse und Gewinnsteigerungen der Early Adopter. Das straft diejenigen Lügen, die bis vor Kurzem behaupteten, die milliardenschweren Investitionen in KI-Rechenzentren in den USA ließen sich mit der Dotcom-Blase von vor 25 Jahren vergleichen. Allgegenwärtig waren in den zurückliegenden Monaten Schlagzeilen à la „Platzt jetzt die KI-Blase?“. Differenzierte Darstellungen – wie die von Handelsblatt-Redakteur Michael Maisch vom vergangenen Januar – bildeten eher die Ausnahme [3].
Disruptives Potenzial nutzen
Erzielte Wettbewerbsvorteile erhöhen wiederum den Druck auf ganze Branchen – und insbesondere auf jene, die beim KI-Rennen erst am Startblock stehen. Womit wir wieder beim Eingangszitat wären. Wie schon vor Jahren in anderem Zusammenhang diskutiert, reicht es nicht, Prozesse mittels KI irgendwie anders zu digitalisieren. Das wesentliche Erfolgsgeheimnis liegt in der disruptiven Nutzung des Potenzials, möglichst vor den Mitbewerbern zu gänzlich neuen Arbeitsweisen zu kommen. Darin ist die sogenannte Physical AI, zu der humanoide Roboter zählen, gedanklich noch gar nicht enthalten.
Wir werden uns dieser komplexen Thematik zukünftig sehr viel stärker und aus vielerlei Blickwinkeln widmen, werden Ihnen hier Praxisbeispiele vorstellen und Interviews mit Fachleuten führen. Seien Sie gespannt.
Autor: Michael Graef, Chefredakteur HDT-Journal, 24.06.2025
Quellen:
[1] https://www.heise.de/news/Kuenstliche-Intelligenz-Amazon-will-kuenftig-mit-weniger-Mitarbeitern-auskommen-10450715.html
[2] https://www.youtube.com/watch?v=uuOPOO90NBo
[3] https://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/kolumnen/nvidia-warum-die-ki-euphorie-nicht-mit-der-dotcom-blase-vergleichbar-ist/100103580.html
Bildhinweis:
Unser Titelbild entstand unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz.