Das neue Bauabfallrecht: 3 Fragen an Harald Freise

Aus den Neuregelungen der Ersatzbaustoffverordnung und der novellierten Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV) ergeben sich für das Bauabfallrecht aktuell große Veränderungen. Nachdem sich bereits in den letzten Jahren zunehmend Gerichte mit abfallrechtlichen Verantwortlichkeiten und der vertraglichen Risikoverteilung bei der Entsorgung von Bauabfällen befassen mussten, treibt Marktteilnehmende die Frage um, worauf man sich künftig wird einstellen müssen. Hierzu befragten wir mit Harald Freise einen ausgewiesenen Experten. Der promovierte Jurist ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen e. V. Beim HDT leitet Freise das Hybrid-Seminar „Die Ersatzbaustoffverordnung – das neue Bauabfallrecht“.

HDT-Journal: Mitte 2024 werden mit der sogenannten „Mantelverordnung“ und ihren Kernbestandteilen „Ersatzbaustoffverordnung“ und „Novellierte Bundes-Bodenschutzverordnung“ die bisherigen geltenden Länderregelungen ersetzt. Was steckt konkret dahinter?

Harald Freise: In der Tat wird mit den beiden genannten Verordnungen das bisher geltende Regelwerk zur Verwertung mineralischer Bauabfälle, das in den meisten Bundesländern maßgeblich auf der Mitteilung 20 der Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA M20) basierte, abgelöst und auf eine völlig neue Grundlage gestellt. So wird erstmals die Herstellung von mineralischen Ersatzbaustoffen (MEB) in mobilen und stationären Anlagen sowie das Inverkehrbringen dieser MEB bundeseinheitlich geregelt.

Des Weiteren werden die Anforderungen für Probenahme und Untersuchung von nicht aufbereitetem Bodenmaterial und Baggergut auf eine neue Grundlage gestellt und einheitliche Methoden zur Analyse und Bewertung von MEB eingeführt. Gänzlich neu geregelt werden auch die Umweltanforderungen an den Einbau von MEB in technische Bauwerke. Gleichzeitig wird der Anwendungsbereich der Bundesbodenschutzverordnung erheblich ausgeweitet. Er umfasst zukünftig auch die Verfüllung von Abgrabungen, einen der bislang wichtigsten Entsorgungswege für nicht verwertbaren Bodenaushub. Hier gibt es allerdings eine lange Übergangsfrist bis zum Jahr 2031.

HDT-Journal: Dem Vernehmen nach geht man allgemein davon aus, dass der Vollzug der neuen Regelungen spürbare Probleme mit sich bringen wird. Wie ist Ihre Einschätzung zu diesem Thema?

Harald Freise: Die Probleme sind in der Tat ganz erheblich. Trotz oder vielleicht auch wegen einer extremen Länge des Gesetzgebungsverfahrens von fast 20 Jahren lassen insbesondere die Regelungen der Ersatzbaustoffverordnung viele Fragen offen beziehungsweise bedürfen der Auslegung. Des Weiteren gibt es erhebliche Regelungslücken. So ist zum Beispiel mit Ausnahme von Bodenaushub und Baggergut die Art und der Umfang von Untersuchungen an der Anfallstelle gar nicht geregelt. Unklarheiten bestehen auch hinsichtlich der Relevanz der Überwachungswerte für die Einstufung und Verwertung von MEB.

Deshalb hat eine Arbeitsgruppe der LAGA unter Vorsitz des Landes Brandenburg versucht, einige der wichtigsten Fragen in einer FAQ-Liste zu beantworten. Große öffentliche Auftraggeber wie zum Beispiel die Autobahn GmbH und einige Straßenbaubehörden der Länder haben eigene Regelungen zum Vollzug aufgestellt oder sind dabei, diese zu entwerfen.

Viele Kommunen dagegen haben sich mit dem Thema des Vollzugs der Ersatzbaustoffverordnung und der Bodenschutzverordnung meiner Einschätzung nach noch gar nicht beschäftigt.

HDT-Journal: Besagte Neuregelungen spielen eine wesentliche Rolle im HDT-Seminar „Die Ersatzbaustoffverordnung – das neue Bauabfallrecht“, für das Sie als Leiter verantwortlich zeichnen. Darin geht es ebenfalls um aktuelle Entwicklungen im Bereich des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Können Sie hierzu Beispiele nennen? Was kommt aus dieser Richtung auf uns zu?  

Harald Freise: Diese Entwicklungen betreffen weniger das Kreislaufwirtschaftsgesetz als solches, sondern das untergesetzliche Regelwerk und vor allem die Rechtsprechung. So arbeitet das Bundesumweltministerium an einer sogenannten Abfallende-Verordnung die regeln soll, unter welchen Voraussetzungen MEB nach ihrer Aufbereitung die Abfalleigenschaft verlieren. Dies ist sehr wichtig im Hinblick auf die Akzeptanz von RC-Baustoffen, die ja leider noch immer nicht sehr ausgeprägt ist. 

Des Weiteren gibt es eine ganze Reihe aktueller Entscheidungen von Gerichten, die sich mit der Abfalleigenschaft beziehungsweise dem Ende der Abfalleigenschaft von mineralischen Bauabfällen beschäftigen. In erster Linie ist hier das sogenannte „Porr-Urteil“ des EuGH zu nennen. Das Gericht hat sich dabei mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen unbelasteter Bodenaushub im Fall seiner Verwertung gar nicht erst zu Abfall im Rechtssinne wird. 

Die Fragen stellte Michael Graef, Chefredakteur HDT-Journal

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