Niemand kann sagen, wie unsere heutige Welt ohne die Genialität und Hartnäckigkeit Rudolf Diesels aussähe. Fest steht, dass der berühmte Ingenieur mit seiner mittlerweile in Misskredit geratenen Erfindung eine der wesentlichen Voraussetzungen für die globale Arbeitsteilung und das durch sie möglich gewordene weltweite Anwachsen von Entwicklung und Wohlstand geliefert hat.
Die Zukunft allerdings, das ist ebenso unstrittig, verlangt nach klimaneutralem Transport. Bei Waren ebenso wie bei Personen. Wie also geht die Reise für Nutzfahrzeuge weiter?
Elektrische Nutzfahrzeuge oder Dasselbe in Grün?
Im Zentrum des derzeitigen Geschehens bei elektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen stehen vor allem Lithium-Ionen-Batterien. Von Lieferwagen über Busse bis hin zu schweren Lkw versprechen sie zumindest in der Theorie eine nachhaltigere Zukunft. Dass die letztendliche Voraussetzung für die Reduzierung von Treibhausgasen eine substanziell gesteigerte Gewinnung von grünem Strom ist, weil sich das Emissionsproblem ansonsten lediglich von der Straße verlagert, gerät gelegentlich aus dem Blickfeld.
Koevolution statt Revolution
Wer basierend auf einer pessimistischen Grundannahme bezüglich des Klimawandels ein sehr viel schnelleres Umschwenken verlangt, läuft jedoch gedanklich in ein Henne-Ei-Problem. Solange die Kapazitäten bei den Erneuerbaren nicht ausreichen, bleibt eine durch und durch grüne Logistik Wunschdenken, einerlei, ob wir über mit E-Fuels, Wasserstoff oder Batterien betriebene Fahrzeugflotten reden.
Andererseits fehlt ohne eine ausreichende Zahl alternativ angetriebener Abnehmer an dieser Stelle ein wenig der Druck für den beschleunigten Ausbau. Beides muss sich über die Zeit einpendeln beziehungsweise sozusagen gegenseitig hochschaukeln; Koevolution statt Revolution.
Ein ambitioniertes Ziel
Bislang jedenfalls ist der Anteil elektrischer Nutzfahrzeuge noch überschaubar. Von den in Deutschland aktuell zugelassenen Lkw und Sattelzugmaschinen sind nicht einmal zwei Prozent mit alternativen, klimaschonenden Antrieben unterwegs, während die Bundesregierung bis 2030 nicht weniger als ein Drittel der gesamten Fahrleistung umgestellt sehen will [1].
Potenzial zur Verringerung des Energiebedarfs
Eine weitere Herausforderung stellt der Aufbau einer ausreichenden Ladeinfrastruktur dar. Definitiv ein positiver Aspekt ist aber die Nutzbarmachung der gegenüber dem Verbrennungsmotor höheren Energieeffizienz des batterieelektrischen Antriebs. Das Öko-Institut hat im Zusammenhang mit einem entsprechenden Forschungsprojekt darauf hingewiesen, dass sich der Endenergieverbrauch im Straßengüterverkehr reduzieren ließe, wenn künftig alle Lkw elektrisch angetrieben fahren [2].
Echte Praxistauglichkeit rückt in greifbare Nähe
Stehen dem gegenwärtig noch hohe Anschaffungskosten, begrenzte Reichweiten und lange Ladezeiten im Weg, geben jüngste Entwicklungssprünge Anlass zu Optimismus. Mit den elektrischen Lkw-Modellen der neuesten Generation mehrerer namhafter OEM sollen 500 Kilometer bei bis zu 44 Tonnen Gesamtgewicht ohne Zwischenladen möglich sein. Gefolgt von einer Pause für das Aufladen der Batterien auf 80 Prozent von 45 Minuten. Das entspräche einer pro Tag erzielbaren Reichweite von 1000 Kilometern.
Das Thema nimmt Fahrt auf
Gepaart mit staatlichen Anreizen dürfte die kontinuierliche Verbesserung der Hochvoltbatterien (respektive die Einführung von Nachfolgetechnologien zu Lithium-Ionen) die Adoptionsrate von E-Nutzfahrzeugen schon bald spürbar beschleunigen.
Interessante Impulse sind nebenbei für die nächste Zeit von der anderen Seite des Atlantiks zu erwarten. Die USA sind, was den Gütertransport betrifft, besonders stark von Lkw abhängig und an Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in diesem Sektor interessiert. Diesbezüglich existiert dem Vernehmen nach bereits ein Antrag für ein staatlich gefördertes Projekt zum Aufbau von Ladestationen entlang einer wichtigen Transportroute [3].
Autor: Michael Graef, Chefredakteur HDT-Journal, 20.03.2024
Quellen:
[1] https://www.heise.de/news/1-75-Prozent-der-Lkw-in-Deutschland-haben-einen-alternativen-Antrieb-9595885.html
[2] https://www.oeko.de/news/pressemeldungen/die-zukunft-des-strassengueterverkehrs-ist-elektrisch/
[3] https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-08-01/tesla-semi-truck-charging-route-pitched-at-100-million