Ein auf Ultraschall basierendes neues, hochempfindliches Prüfverfahren für Stahlbeton verspricht für die Zukunft wesentlich zuverlässigere Erkenntnisse über den Zustand von Bauwerken wie Brücken. Entwickelt wird es aktuell von einer Forschungsgruppe unter Beteiligung der Technischen Universität München (TUM).
Dass es um den Zustand der Infrastruktur unseres Landes nicht zum Besten bestellt ist, darf mit Recht als Binse bezeichnet werden. Vielerorts sorgen Brückensperrungen bereits dafür, dass weite Umwege gefahren werden und letzten Endes die Umwelt zusätzlich belastet wird. Wahr ist jedoch auch, dass sich die politischen Versäumnisse der letzten zwei bis drei Jahrzehnte trotz hoher Bereitschaft nicht über Nacht korrigieren lassen.
Grenzen herkömmlicher Prüfverfahren
Der Neubau von Brücken – dort, wo quasi nichts zu retten ist – ist eine Sache, die Überprüfung eine andere. „In unserem Land ist die Wartung mit regelmäßig vorgeschriebenen Hauptprüfungen an sich klar und vernünftig geregelt. Zumindest bezogen auf herkömmliche Prüfverfahren“, erklärt HDT-Journal-Chefredakteur Michael Graef. „Nur ist es mittels Methoden wie dem händischen Abklopfen, trotzdem sie sehr viel Zeit, Arbeit und Geld kosten, nicht möglich, jede Anfangsschädigung rechtzeitig zu entdecken“, so Michael Graef weiter.
Die Folgen eines schlussendlichen Materialversagens zeigten sich unlängst auf eindrückliche Weise beim Einsturz eines Teils der Carolabrücke in Dresden. „Bedacht werden muss hierbei überdies, dass die Belastungen für Stahlbetonkonstruktionen aufgrund der Entwicklung des (Schwer-)Verkehrs heute andere sind als noch vor einigen Jahrzehnten“, merkt Michael Graef an. Womit beide Themen – die Wartung und die Investition in Instandhaltung und Neubau – zusätzliche Dringlichkeit erhalten.
Hilfe aus der Forschung
Einen Lichtblick liefert hier die Wissenschaft, genauer die Forschungsgruppe CoDA (Concrete Damage Assessment by Coda Waves) unter Beteiligung der Technischen Universität München (TUM). Sie forscht schon seit längerer Zeit an neuen Prüfmethoden, die auf Ultraschall basieren. Jetzt hat sie vielversprechende Ergebnisse präsentiert.
Grundlage der Forschungsarbeiten ist die Ultraschall-Coda-Wellen-Interferometrie (CWI). Dabei handelt es sich um eine hochsensible Methode zur Überwachung und Analyse von Materialveränderungen. Sie eignet sich gut für Beton- und Spannbetonbauteile und nutzt Ultraschallwellen, um kleinste Änderungen in der Materialstruktur zu detektieren. Kritische Veränderungen an Bauten wie Spannungszustände und potenzielle Schäden können hierdurch frühzeitig erkannt werden.
Versuche unter Realbedingungen sind eindeutig
Ein besonderer Vorteil des neuen Verfahrens ist darin zu sehen, dass es künftig über die punktuelle Prüfung hinaus für die kontinuierliche und umfassende Überwachung eingesetzt werden kann. Die Forschungsgruppe CoDA (DFG FOR 2825) – bestehend aus Forschenden der TUM, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Hochschule Bochum (BO) – testet die Anwendung der CWI für die Überwachung von Stahlbetonbauwerken im Langzeittest seit 2021 in Ulm an einer Brücke und zusätzlich seit 2022 in München an der Decke einer U-Bahnstation.
Christoph Gehlen, Professor für Werkstoffe und Werkstoffprüfung im Bauwesen an der TUM und Sprecher des CoDA-Projekts zieht ein positives Fazit: „Die Ergebnisse unserer jahrelangen Versuche unter Realbedingungen sind eindeutig: Uns ist es gelungen das CWI-Messverfahren derart zu verfeinern, dass wir zukünftig mit unseren Sensoren und den komplexen Auswertungsmodellen selbst große Bauten mit minimalen Eingriffen in die Struktur überwachen könnten. Ausschlaggebend hierfür ist unser systematischer und ganzheitlicher Ansatz – der angefangen bei den externen Einflüssen wie Temperatur und Feuchtigkeit bis hin zu einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren für die Auswertung der Signale berücksichtigt.“
Auf die Übersetzung der Messsignale kommt es an
Die zum Einsatz kommenden röhrenförmigen Sensoren sind lediglich 75 Millimeter lang, ihr maximaler Durchmesser beträgt 20 Millimeter. Sie werden in Bohrlöcher oder unmittelbar bei Herstellung dauerhaft ins Bauwerk eingebracht und liefern kontinuierlich Daten über Belastung und Veränderungen des Materials. Allerdings sagen die empfangenen Signale aus den Ultraschallsensoren zunächst nichts über den Grad der Schädigung und die genaue Position etwaiger Schäden aus. Dazu müssen sie zunächst übersetzt und interpretiert werden, wobei komplexe mathematisch-physikalische Modellierungen und Simulationen ins Spiel kommen.
In Kombination mit maschinellem Lernen werden die Ultraschalldaten so interpretiert, dass sie Auskunft geben über veränderte physikalische Materialeigenschaften wie Steifigkeit. Aber nicht allein der Grad, sondern sogar der Ort der Schädigung kann mithilfe der Methoden abgeleitet werden. Da die Daten der Sensoren an einen Server übertragen werden, ist die Bauwerksüberwachung aus der Ferne über eine Zentrale möglich.
Forschungsschwerpunkte im Detail
Der ganzheitliche Versuchsaufbau ist auf sechs Forschungsschwerpunkte mit jeweils einem verantwortlichen Institut aufgeteilt:
TUM1: Umwelt- bzw. mechanisch bedingte Änderungen in der (Beton-)Mikrostruktur und ihr Effekt auf die Codasignale
RUB1: Skalenübergreifende Modellierung von Mikrostrukturänderungen im Beton und Schädigungsanalyse von Betonstrukturen zur Identifizierung von Coda-Signalen
BO: Höchstleistungs-Simulationen der Wellenausbreitung für Strukturuntersuchungen von Beton
RUB2: Korrelationen zwischen Ergebnissen thermo-mechanischer Experimente an Stahlbetonstrukturen und verteilten Coda Signalen
TUM2: Großskalige, hybride Modelle zur Schadenserkennung in beliebig geformten Betontragwerken
BAM: Codawellenbasierte Ultraschallmethoden für Beton – Erweiterung der Möglichkeiten durch 3D-Information, Kombination mit Schallemissionsanalyse und Erweiterung um zusätzliche Kennwerte hin zur Anwendung an realen Bauwerken
CoDA ist ein Förderprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Weitere Informationen:
Technische Universität München (TUM)
Lehrstuhl für Werkstoffe und Werkstoffprüfung im Bauwesen
www.tum.de
Bildhinweis:
Unser Titelbild entstand unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz.