Fahrzeugklimatisierung: Zwischen Sicherheit, Komfort und Effizienz

Die jahrzehntelang vernachlässigte Infrastruktur in Deutschland sorgt heutzutage für chronisch verstopfte Straßen und erhitzte Gemüter. Gottlob sind inzwischen wenigstens die allermeisten Fahrzeuge mit einer Klimaanlage ausgerüstet. Mehr als 90 Prozent der Neuwagen in Deutschland weisen dieses fast schon banale Ausstattungsdetail auf. Bei Gebrauchtwagen ist der Wert kaum geringer. Die Fahrzeugklimatisierung ist nahezu so selbstverständlich geworden wie Autoradio oder Scheibenwischer und Airbag – und tatsächlich ist die Fahrzeugklimaanlage genau in der Schnittmenge zwischen beidem zu verorten: Komfort- und Sicherheitsausstattung.

Keep cool! Fahrzeugklimatisierung und Sicherheit

Studien haben es gezeigt, doch eigentlich ist wohl jedem aus eigener Erfahrung klar: Leistungsvermögen und Konzentrationsfähigkeit leiden, wenn die Umgebungstemperatur vom sogenannten thermischen Behaglichkeitsbereich stark nach oben oder unten abweicht. Im Verkehr steigt hierdurch das Unfallrisiko deutlich an. Sicherer unterwegs ist, wer dank Fahrzeugklimatisierung im wahrsten Sinne des Wortes einen kühlen Kopf bewahrt – und vorausschauend statt impulsiv fährt.

Fahrzeugklimatisierung auf die althergebrachte Weise

Wie sehr sich Fahrzeugsicherheit und -komfort zum Besseren verändert haben, wissen Ältere aus eigener Anschauung. Sie erinnern sich daran, was vor 30, 40 oder mehr Jahren geschah, wenn man beispielsweise auf der Fahrt in den Sommerurlaub an einem warmen und sonnigen Tag im Stau landete. Alle Fenster wurden geöffnet – meist noch händisch mithilfe der Kurbel – und man stellte das Kaltgebläse von mittlerer auf maximale Stufe. Wobei „kalt“ relativ gemeint ist – bezogen auf die Option, alternativ die Heizung einzuschalten. Tiefenentspannt und frisch kam man so selten an.

Dabei wurden in den USA bereits 1938 erste Klimaanlagen in Pkw eingebaut. Allerdings brauchte es seine Zeit, bis aus Luxusausstattung Standard wurde. Zyniker mögen argumentieren, dass der Autoverkehr in der Zwischenzeit so viel zum Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen beigetragen hat, dass es nur konsequent ist, dass man es heute oftmals ohne Fahrzeugklimaanlage in Pkw nicht mehr aushält. Nicht übersehen werden darf indes, dass aus Gründen der Aerodynamik die Karosserieformen und Glasflächen sich dahingehend verändert haben, dass man von Glashauseffekten sprechen muss. Die starke Präferenz schwarzer oder überwiegend dunkler Lackierungen war in dieser Hinsicht ebenfalls wenig hilfreich (Stichwort Albedo).
 

HDT-Veranstaltungshinweis:
Tagungshinweis Fahrzeugklimatisierung
 

Langfristiges Entwicklungsziel: Rollende Lounge

Mit der Ausdifferenzierung des Marktes sind der Fahrzeugklimaanlage längst viele weitere Komfortfunktionen an die Seite gestellt worden. Man denke beispielshalber an belüftete Sitze mit Massagefunktion. Zudem ist die moderne Fahrzeugklimatisierung sehr viel intelligenter geregelt als in den Anfangsjahren. Wodurch sich zum Beispiel unterschiedliche Temperaturzonen darstellen lassen. Jeder bekommt mehr oder weniger seine persönliche Wohlfühlumgebung. Passend zum allgemeinen, seit vielen Jahren anhaltenden Trend zur Individualisierung.

Bleibt als letzte Herausforderung das Fahren selbst. Noch ist in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen einiges an Wegstrecke zurückzulegen, bis uns Automobile ohne unser Zutun ans Ziel bringen. Sobald das der Fall ist, macht es keinen Sinn mehr, die gesamte Fahrt über nach vorn zu starren und in der gewohnten Weise zu sitzen. Was Folgen für die Gestaltung von Fahrzeugsitzen haben wird. 

Fahrzeugklimatisierung und die Frage der Effizienz 

Bis es so weit ist, stellt allein der Wandel hin zur Elektromobilität die Automobil- und Zulieferfirmen vor genügend Herausforderungen. Bislang wurden Themen wie Fahrzeugklimatisierung häufig im Sinne eines Zielkonfliktes diskutiert. Die hauptsächlichen Stromverbraucher neben dem Fahren, zu denen insbesondere im Winter auch die Heizung gehört, reduzieren die Reichweite spürbar. Effizienz ist somit zusätzlich zu Komfort und Sicherheit eine weitere wichtige Dimension, entlang der man Fahrzeugklimatisierung denken und fortentwickeln muss.

Nicht vergessen werden darf die Rolle der Fahrzeugklimatisierung in Bezug auf Lithium-Ionen-Batterien. Deren Betrieb erfordert Kühlung etwa mittels eines Kältemittelkreislaufs. Womit wir beim Thema Nachhaltigkeit wären. Obschon Dichlordifluormethan (besser bekannt als R-12), das in der Vergangenheit die Ozonschicht schädigte, ausgemustert wurde, machen heutige Kältemittel die Klimaanlage nicht eben zur umweltfreundlichsten Fahrzeugkomponente. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich alternative Verfahren wie die magnetische Kühlung auf der Grundlage des vor über 100 Jahren erstmals beobachteten magnetokalorischen Effektes durchsetzen. Weil hierbei nicht nur Kältemittel entbehrlich werden, sondern der Energiebedarf zugleich sinkt, ist die Technologie auf jeden Fall vielversprechend.

Autor: Michael Graef, Chefredakteur HDT-Journal, 11.08.2023

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