Magnetwerkstoffe und Magnettechnik, das wird angesichts zahlreicher Beiträge deutlich, lassen unser Journal nicht mehr los. Zu gleichen Teilen liegt das an der beispielhaften Vielseitigkeit von Magneten und ihrer zentralen und unverzichtbaren Rolle für unser modernes Leben, quer durch sämtliche Felder der Technik.
Manche meinen nun vielleicht, dass mit der digitalen Revolution die Bedeutung der Magnettechnik abnähme. Wir würden das allerdings anzweifeln wollen. Sicherheitshalber befragten wir einen Experten, der nicht nur über ein beeindruckendes Fachwissen verfügt, sondern mit seinem angesehenen und traditionsreichen Unternehmen Tag für Tag an der Entwicklung neuer Lösungen arbeitet. Die Rede ist von Dr. rer. nat. Martin Grönefeld, Geschäftsführer der 1932 gegründeten Magnetfabrik Bonn GmbH.
HDT-Journal: Herr Grönefeld, etwas vereinfacht wird man wohl sagen können, dass es die Digitalisierung ebenso wie viele andere nicht mehr wegzudenkende Phänomene ohne Magnete nie gegeben hätte. Zunehmend wird man heute aber aufmerksam auf die Erforschung und Entwicklung von magnetfreien und ohne seltene Erden auskommenden Alternativen – beispielsweise im Bereich von Elektromotoren. Wie bewerten Sie derlei Bestrebungen hinsichtlich der zukünftigen Rolle der Magnettechnik?
Martin Grönefeld: Digitaltechnik und Magnete ergänzen sich. Ein gutes Beispiel ist die berührungslose Positionssensorik, bei der einem Dauermagneten die Vermittlung zwischen realer Welt (Position eines mechanischen Bauteils) und der digitalen Welt (elektronischer Sensor) zukommt. Die digitale Welt fördert die Magnetentwicklung, seitdem man in den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts die Simulation von Magnetfeldern zunehmend nutzte. Umgekehrt fördern Magnete die digitale Welt bis hin zu Quantencomputerkonzepten und Quantensensorik auf Basis von Dauermagnetfeldern.
Den Ersatz von Seltenerdmagneten durch Werkstoffe ohne Seltenerdmetalle sehe ich in der Sensorik als gut möglich und wichtig an. Bei Traktionsmotoren sind hingegen Lösungen ganz ohne Magnete die einzige Alternative zu den in Ressourcen begrenzten Hochleistungsmagneten. Dann sind wir als Magnethersteller raus, aber Magnettechnik ist weiterhin ein wichtiges Thema rund um die Motorauslegung.
HDT-Journal: Magnete von der Stange bleiben sicherlich ein wichtiges Wirtschaftsgut. Besondere Möglichkeiten der Wertschöpfung scheint indes die Bereitstellung spezifischer, passgenauer Lösungen zu eröffnen. Das beschreibt offenbar einen wesentlichen Teil der Aktivitäten Ihres Unternehmens. Stimmt das?
Martin Grönefeld: Ja, auf jeden Fall. Magnete in Standardformen sind im Bereich der Traktionsmotoren sinnvoll, da nur die Magnetleistung für den Antrieb eine Rolle spielt. Dauermagnete für Sensoranwendungen, wie in der Hauptsache von uns entwickelt, produziert und verkauft, erfüllen dagegen häufig eine magnetische und eine mechanische Aufgabe und müssen bezogen auf die Mechanik häufig der Anwendung entsprechend individuell konstruiert sein. Dennoch versuchen auch wir Standards für spezielle Anwendungen, zum Beispiel die End-of-Shaft-Winkelsensorik, zu setzen. Die hier von uns angebotenen Gebermagnete haben sich zu einer kleinen Erfolgsgeschichte entwickelt.
HDT-Journal: Speziell auf dem Gebiet der kunststoffgebundenen Dauermagnete, die das Kerngeschäft Ihres Produktportfolios sind, hat sich einiges getan. Was sind hier die besonderen Alleinstellungsmerkmale respektive Produktvorteile?
Martin Grönefeld: Auf der magnetischen Seite bietet die genaue Feldführung innerhalb des Bauteiles durch eine inhomogene Magnetisierung die Möglichkeit maßgeschneiderter Magnetfelder beispielsweise für verschiedene Sensoren. So können Sensoren das Feld des Gebermagneten von Fremdfeldern unterscheiden, was in der Elektromobilität für streufeldrobuste Sensorik unabdingbar ist. Auf der mechanischen Seite werden heute Anforderungen durch den kunststoffgebundenen Magneten erfüllt, die früher reinen Kunststoffbauteilen vorbehalten waren. Ein Beispiel sind magnetisierbare Kunststoffritzel. Diese gibt es schon lange, aber in einem Entwicklungsprojekt, welches wir gerade abschließen, haben wir die Präzision und die möglichen Größen und Drehmomente erheblich erweitert.
HDT-Journal: Welches sind Ihrer Einschätzung nach überdies die wichtigsten Neuerungen, die in den kommenden Jahren die Magnettechnik prägen werden?
Martin Grönefeld: Allgemein in der Magnettechnik gibt es ganz spannende Themen, angefangen von der Realisierung bekannter Konzepte wie den Transversalflussmaschinen, über die Feldgestaltung in Fusionsreaktoren bis hin zu den oben genannten Feldsystemen für Quanteneffekte. Aber aufgrund der Vielfältigkeit der Anwendungen wird es auch Neuerungen geben, die wir noch gar nicht voraussehen. Das macht die Arbeit mit Magneten täglich so spannend.
Wer ist Martin Grönefeld?
Dr. rer. nat. Martin Grönefeld studierte von 1987 bis 1990 Physik. Auf seine Diplomarbeit zu Magnetismus (intermetallische Verbindungen und Legierungen) folgte das Verfassen seiner Promotionsarbeit zum Thema „Magnetischer Härtungsmechanismus schnell erstarrter Legierungen von Neodym, Eisen und Bor“ am Institut für Festkörperforschung, MPI Stuttgart, mit der anschließenden Promotion an der Universität Stuttgart. 1990 stieg Grönefeld in das in dritter Generation geführte familieneigene Unternehmen Magnetfabrik Bonn GmbH (gegründet 1932) ein, wo er 1991 die technische Leitung übernahm und seit 1994 als Geschäftsführer fungiert.
Der Fokus der Magnetfabrik Bonn liegt heute auf der Entwicklung und Produktion von kunststoffgebundenen Dauermagneten und Magnetsystemen am Standort Deutschland mit der Überzeugung, dass eine qualitätsvolle und nachhaltige Fertigung von Produkten in Europa möglich ist.
Neben der unternehmerischen Tätigkeit engagiert sich Martin Grönefeld weiterhin für wissenschaftliche und gesellschaftliche Themen und tritt zudem durch die Einreichung von Patenten in Erscheinung, beispielsweise zum 3D-Druck von Magneten oder dem Aufbau spezieller Messtechnik. Die Leitung der Expertengruppe Sensormagnete in der Projektgruppe zum VDA-Entwurf „Hartmagnete“ sowie Veröffentlichungen und Bücher zum Thema Magnetismus sollen ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.
Weitere Informationen:
www.magnetfabrik.de
HDT-Journal: Blicken wir auf das leidige Thema des Fachkräftemangels, welches vermutlich auch Ihre Branche betrifft. Wie schwierig ist es für Sie inzwischen, die richtigen Leute zu finden?
Martin Grönefeld: In der universitären Ausbildung kommen die Themen um die Magnettechnik schon immer zu kurz. Während aber in den 1990er-Jahren zumindest in den Universitäten viel auf dem Gebiet geforscht wurde, und die Firmen und Institute gut vernetzt waren, hat dies heute sehr nachgelassen.
HDT-Journal: Ist das Problembewusstsein einer breiten Öffentlichkeit im Hinblick auf die Herausforderung für den Wirtschaftsstandort Deutschland eigentlich groß genug und kann die Fort- und Weiterbildung aus Ihrer Sicht wesentlich zur Überwindung des Fachkräftemangels beitragen?
Martin Grönefeld: Zwei Fragen, die ich gerne kurz mit „Nein“ und „Ja“ beantworte (lacht; Anm. d. Red.). Aber im Ernst, der Blick der Öffentlichkeit auf die digitale Revolution ist geschärft. Aber dass die Energiewende Hardware benötigt – und dass, wenn die Rohstoffe hierfür oft nur aus fernen Ländern kommen, wenigstens die Ressource „Ingenieurkunst“ aus Europa kommen sollte –, wird gerne übersehen. Die klugen Köpfe hierzu müssen immer nachwachsen. Es ist schön, dass das HDT eine der Institutionen ist, die heute für den gewissermaßen „nachwachsenden Rohstoff“ in Form kluger Köpfe mit Technikverständnis sorgt.
HDT-Journal: Das wird das HDT-Team sicherlich freuen zu hören. Herr Grönefeld, haben Sie herzlichen Dank für die spannenden Einblicke.
Die Fragen stellte Michael Graef, Chefredakteur HDT-Journal
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Unser Titelbild entstand unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz.