2027 jährt sich die Gründung des HDT (Haus der Technik) zum einhundertsten Mal. Stichtag ist der 21. November 2027. Das aus einer nochmals 20 Jahre älteren technisch-wissenschaftlichen Publikation dreier Berufsverbände* hervorgegangene HDT-Journal nimmt das bevorstehende Jubiläum zum Anlass, auf die Bedingungen der Entstehung von Deutschlands ältestem technischen Weiterbildungsinstitut zurückzublicken.
Zum Vorreiter und Beschleuniger in Sachen Fortschritt wird man nicht durch Zufall. Wer jedoch begreifen will, wie HDT-Gründer Heinrich Reisner zum Erfinder der modernen Weiterbildung wurde und was ihn bewog und dazu inspiriert hat, sein zukunftsweisendes Konzept des schnellen Austausches und der interdisziplinären Vernetzung von Fachleuten aus Wissenschaft, Forschung und Anwendung zu entwickeln, muss zunächst verstehen, in was für einer Zeit und Umgebung der Hydrologe und frühere Redakteur gelebt und gewirkt hat.
Ob halsbrecherische technische Pionierleistungen, aufsehenerregende Entdeckungen oder bahnbrechende Forschungsergebnisse – die Gründung des Essener HDT-Trägervereins Haus der Technik e. V. fällt in eine ungemein bewegte und faszinierende Phase des Aufbruchs. Ohne die vielen damals geschaffenen Grundlagen sähe unsere heutige Welt völlig anders aus, wäre unser modernes Leben mit all seinen Annehmlichkeiten nicht vorstellbar.
Reisner fiel indes so früh wie praktisch niemandem sonst auf, dass sich die technologische Fortentwicklung im Dienste des Wohlstandes nur dadurch würde im nötigen Tempo fortsetzen lassen, dass Fachleute aus allen wichtigen Feldern der Industrie und Technik ihr Wissen und ihre Erfahrungen verknüpfen und fachübergreifend in die Waagschale werfen. Wer sich jetzt an die von epochalen Herausforderungen geprägte Situation erinnert fühlt, in der sich Deutschland und Europa gegenwärtig befinden, ist damit gewiss nicht allein.
In Vorbereitung auf das HDT-Jubiläum möchten wir Sie künftig in loser Folge auf eine kleine Zeitreise in die Welt vor 100 Jahren mitnehmen. Im Vorgriff auf vertiefende Beiträge, auf die Sie sich freuen können, seien an dieser Stelle exemplarisch einige wenige Meilensteine aufgezählt, die den bis heute nachwirkenden Impact der 1920er-Jahre widerspiegeln sollen.
The Great Debate
Die am 26. April 1920 im National Museum of Natural History in Washington, D.C. geführte Shapley-Curtis-Debatte (auch bekannt als „The Great Debate“) leitet ein epochal neues Verständnis unseres Universums ein. Noch vor dem Nachweis durch Edwin Hubble wird die Frage erörtert, ob jenseits der Milchstraße weitere Objekte existieren.
Der Hype wird erfunden
Als vielleicht erster echter weltweiter Medienhype der Geschichte löst der Fund von KV62 (besser bekannt als das Grab des Pharaos Tutanchamun) durch das Team rund um Howard Carter im November 1922 ab dem Jahr darauf eine wahre Ägyptomanie aus. Sie erstreckt sich auf sämtliche kulturellen Bereiche – von Mode und Konsum bis zu Musik und Literatur. Als dauerhaftes Faszinosum gräbt sich der vermeintliche Fluch des Pharaos überdies in die Filmgeschichte ein.
M31 oder Die Milchstraße ist nicht alles
Edwin Hubble erbringt im Dezember 1923 den Beweis, dass mit dem Andromedanebel (M31) mindestens ein Objekt weit außerhalb der Milchstraße existiert. Die Bedeutsamkeit der Entdeckung ist vergleichbar mit der kopernikanischen Wende.
Wellencharakter von Materieteilchen
Im November 1924 verteidigt Louis de Broglie an der Pariser Sorbonne seine Dissertation „Recherches sur la théorie des Quanta“. Darin legt er dar, dass jegliche Materieteilchen einen Wellencharakter aufweisen können – und umgekehrt. Die Entdeckung zählt zu den wichtigsten des 20. Jahrhunderts und wird 1929 mit dem Nobelpreis für Physik honoriert.
Mit einem Knall fängt alles an
Im Gegensatz zu Albert Einstein, der 1917 eigens dafür die kosmologische Konstante eingeführt hatte, glaubt der belgische Theologe und Astrophysiker Georges Lemaître nicht an ein statisches Universum. Im April 1927 stellt er seine später „Urknall“ genannte These vom Beginn des kontinuierlich expandierenden Weltalls auf.
Das Zeitalter der Fernflüge und Weltreisen beginnt
Charles Lindbergh gelingt im Mai 1927 der erste Nonstop-Alleinflug über den Atlantischen Ozean von New York nach Paris. Für die 5.808,5 Kilometer lange Strecke benötigt er 33,5 Stunden.
Zur selben Zeit unternehmen die Rennfahrerin Clärenore Stinnes und ihr späterer Ehemann, der Fotograf und Kameramann Carl-Axel Söderström, die erste – überaus abenteuerliche – Umrundung der Welt im Automobil. Für die insgesamt knapp 50.000 Kilometer braucht es ganze 25 Monate.
Die erste Weltumrundung in einem Flugzeug (freilich nicht nonstop) hatte es übrigens zuvor 1924 gegeben. Sie dauerte 175 Tage.
Nichts genaues weiß man nicht
Werner Heisenberg veröffentlicht im Juni 1927 seine Arbeit zur Unschärferelation. Von da an ist klar: Die letzte Exaktheit bei der Welterkenntnis bleibt uns verschlossen. Im Quantenkosmos stoßen wir an eine natürliche Grenze, die darin besteht, dass sich – im krassen Widerspruch zu Alltagserfahrungen – mehrere Messgrößen wie Aufenthaltsort und Impuls prinzipiell nicht gleichzeitig bestimmen lassen.
Hinzu kommt das verstandesmäßig schwer nachzuvollziehende Phänomen der Verfälschung der Eigenschaften eines beobachteten quantenphysikalischen Systems durch die Beobachtung selbst.
Die Bilder lernen sprechen
Der US-Film „The Jazz Singer“ feiert im Oktober 1927 Premiere. Er verhilft dem neuen Medium Tonfilm zum Durchbruch. Zahlreiche der bis dahin erfolgreichen Schauspielerinnen und Schauspieler erleiden allerdings einen Karriereknick, da sie sich nicht an die neuen Gegebenheiten anpassen können.
Menschen genau hiervor zu bewahren – das ist, nebenbei bemerkt, ein Hauptanliegen des HDT. Obschon das künstlerische Fach nicht zu unserer Themenpalette zählt, sind Sie bei uns grundsätzlich stets hervorragend aufgehoben, wenn Sie Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten schärfen und ausbauen wollen, um für den schnellen Wandel gewappnet zu sein.
Ab jetzt immer pünktlich
Ebenfalls im Oktober 1927 stellen Warren Marrison und J.W. Horton, beides Mitarbeiter der New Yorker Bell Telephone Laboratories, die erste Quarzuhr der Welt vor. Die Miniaturisierung dieses Meisterwerks der Elektronik – hin zur ersten kommerziellen Quarz-Armbanduhr – dauert allerdings weitere vier Jahrzehnte.
Autor: Michael Graef, Chefredakteur HDT-Journal, 06.03.2025
Bildhinweis:
Unser Titelbild entstand unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz.
* Hierbei handelt es sich konkret um den Rhein.- Westf. Bezirksverein Deutscher Chemiker, den Elektrotechn. Verein des Rhein.-Westf. Industrie-Bezirks und den Westfälischen Bezirks-Verein Deutscher Ingenieure. Gemeinsam gründeten sie 1907 in Dortmund die „Technischen Mitteilungen“, welche später an das HDT (Haus der Technik) gingen. 2010 wurde das erfolgreiche Print- zum noch erfolgreicheren Onlinemedium TM 2.0. 2020 änderte sich der Name erneut in HDT-Journal.